Archiv: Ausstellungen Leere und Form
Hildesheim 2021

Die Sammlung der Dr. Christiane Hackerodt Kunst und Kulturstiftung im Dialog mit der Sammlung des Dommuseums Hildesheim
Der Titel Leere und Form der Ausstellung nimmt ein gemeinsames Element von buddhistischer wie christlicher Mystik auf: Leer werden, alle Vorstellung des Göttlichen loszulassen, um frei zu werden für die spirituelle Begegnung. Im künstlerischen Ausdruck bleiben auf den ersten Blick nur die Formen, die Fragen und Strukturen fassen, dem Betrachter und der Betrachterin aber ein Versinken und Erfahren ermöglichen, die dem kontemplativen Gebet ähnlich ist. In der Ausstellung vertreten sind unter anderem Werke von Heinz Mack, Otto Piene, Judi Harvest, Hermann Bartels, Kwang Young Chun, Sadaharu Horio und Morio Nishimura.Die Gegenüberstellung mit der Sakralkunst des Dommusuems führt zu überraschenden Neubetrachtungen beider Werkgruppen.

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Ida Barbarigo setzt in Electric Walk wirbelnde Caféhausstuhlfragmente aus Erinnerungen von Spaziergängen in Paris und Venedig auf die Leinwand. Nun ist die Arbeit positioniert neben die fragmentarischen Reste einer mittelalterlichen Casel, einem Messgewand, das sich aus dem römischen Ausgehmantel (etwa in der Art eines Ponchos) entwickelt hat. Fragmente und Erinnerung bekommen eine neue Dimension: Das Messgewand als priesterliche Kleidung der liturgisch-ritualisierten Erinnerung an das Mahl Jesu mit den Brotfragmenten; die wenigen historischen Stoffreste auf dem restauratorischen Trägermaterial; der Wirbel der Stuhlfragmente als Ausdruck der Spaziergangs- und Erinnerungsdramatik.

Der japanische, nun bei Düsseldorf lebende Künstler, Morio Nishimura, Meisterschüler von Günther Uecker, arbeitet immer wieder mit dem Motiv des Lotus. Im Buddhismus u.a. auch Symbol der Wiedergeburt, des Kreislaufes von Leben und Tod, Vergehens und der Wiederkehr, aber auch der Fruchtbarkeit - die Lotusblatt- oder Lotusblütenkelchform neben die im Gottesdienst verwendeten Kelche gesetzt, neben einem Marienbild, das in der orthodoxen Ikonographie auch häufig als eine Kelchform im Gewand dargestellt wird, weist auf eine Verbindung von Symbolen verschiedener Religionen in Ost und West hin, die in den leeren Gefäßen auch die spirituelle Dimension des Leer-Werdens in Kontemplation und Meditation erkennt.

Bernard Aubertins mit rotem Lack übergossenes Nagelbild o.T. bekommt neben einem Altarkruzifix mit dem angenagelten, gehenkten Jesuskorpus eine beängstigende Direktheit.


Zur Ausstellung ist ein mehrsprachiger Sammlungskatalog (Deutsch, Englisch, Italienisch) mit einem ebenfalls mehrsprachigen Begleitheft (Deutsch, Englisch) zur Präsentation in Hildesheim erschienen.